|
Textanalyse
und Interpretation
4) Erzähltechnik |
|
Der Autor lässt die Hauptperson Holden seine Geschichte,
seine Gefühle und sein Verhalten in der ersten Person
berichten, bewertet aus seiner Sicht die Personen, die
seinen Weg kreuzen, alles so, wie es ein 16-Jähriger
tun würde. Diese Perspektive der „first-person-narrative"
ist notwendigerweise subjektiv, sie versucht, den Leser
für die Sichtweise des humorvollen und respektlosen
Ich-Erzählers zu gewinnen („If you want to
know the truth"; Kap. 13, S. 92). Immer wieder spricht
Holden den Leser direkt an (z.B. „If you really
want to hear about it"; Kap. 1, S. 1), sagt unverblümt
seine Meinung („crap", „bastard",
„moron") und kritisiert die Heuchelei seiner
Mitmenschen und der Gesellschaft. Seine lockere Teenager
spräche verstärkt die Authentizität der
Erzählung. Dabei stellt sich für den kritischen
Leser natürlich die Frage, inwieweit er Holden ernst
nehmen und glauben kann. Dieses Problem der Zuverlässigkeit
des Erzählers spricht Holden selbst immer wieder
an. Er bekennt, ein notorischer Lügner zu sein ("I'm
the most terrific liar you ever saw in your life.";
Kap. 3, S. 16).
Der Handlungsverlauf ist einerseits chronologisch - er
führt von Holdens Abschied von Pencey bis zum Scheitern
seiner Suche nach Verständnis. Andererseits unterbricht
Holden den Fortgang seiner Geschichte immer wieder durch
Rückblenden (z. B. die erste Begegnung mit Jane,
Kap. 11) oder Abschweifungen (z. B. seine Bemerkungen
zur Religion, Kap. 14). In diesem Kapitel findet sich
ein gutes Beispiel für seine assoziative Erzählweise:
Finally, though, I got undressed and got in bed. I
felt like praying or something, when I was in bed, but
I couldn 't do it. I can 't always pray when I feel Iike
it. In the first place, I'm sort of an atheist. l Iike
Jesus and all, but 1 don't care too much for most of the
other stuff in the Bible. Take the disciples, for instance...
(Kap. 14, S. 99 f.)
|
|
|
Textanalyse
und Interpretation
|
|
Nach etwa einer Seite mit Gedanken über Religion wird
die Handlung fortgeführt: "...somebody knocked
on the door" (Kap. 14, S. 100).
Immer wieder fallen Holden Dinge ein, die für seine
augenblickliche Situation symptomatisch sind. In der Begegnung
mit den Nonnen in der Sandwichbar (Kap. 15) erinnert er
sich an einen Zimmerkollegen, der sich für seine armseligen
Koffer schämte. Oder: Als Phoebe ihn auffordert, etwas
zu nennen, was er gut findet, geht ihm der Selbstmord von
James Castle durch den Kopf (Kap. 22). Informationen über
Holdens Familie werden in die Erzählung eingestreut.
Als er zum Beispiel bemerkt, dass er knapp bei Kasse ist,
macht er einen Exkurs über seinen Vater und seine Mutter
(Kap. 15).
Außer fortlaufenden Episoden, Assoziationen und Rückblenden
gibt es auch Hinweise auf den Ausgang der Geschichte (foreshadowing),
wodurch für den Leser die Spannung erhöht wird.
Am Anfang wird darauf hingewiesen, dass Holden, der sich
in einer Nervenklinik befindet, eine Art von Zusammenbruch
erleiden wird. Weitere Anzeichen dafür finden sich
zum Beispiel in Holdens Reaktion auf Allies Tod (Kap. 5),
als er sich in die Garage zurückzieht, wo er alle Scheiben
mit bloßer Hand einschlägt, sodass seine Eltern
ihn therapieren lassen. Am Ende von Kapitel 14 spielt er
mit dem Gedanken an Selbstmord ("I felt Iike jumping
out of the window."; S. 104), und in Kapitel 24 prophezeit
ihm Antolini einen tiefen Fall ("I have a feeling that
you're riding for some kind of a terrible, terrible fall.";
S. 186).
Die Erzählung ist angereichert mit lebendigen Dialogen.
Holden sucht das Gespräch, sogar mit Leuten wie Ackley,
den er eigentlich ablehnt, und erst recht mit Personen,
von denen er sich Hilfe erhofft, wie Sally, Luce oder Antolini.
Er treibt gern Konversation, mit Morrows Mutter im Zug,
mit Taxifahrern, mit den Nonnen im Cafe.
|
|